103
01.11.2005, 15:54 Uhr
Wolfgang-S
|
Eine sehr subjektive Betrachtung eines Möchte-Gern-Skaters (mit Betonung auf „gern“) über den Frankfurt Inline-Marathon 2005.
Es war für mich der schönste meiner bisher sechs Marathons (obwohl es anfangs gar nicht danach aussah) und der dritte in Frankfurt seit meinen ersten aufrechten Rollversuchen 1998 und das hatte im wesentlichen drei Gründe. Einer davon war das Wetter, die beiden anderen folgen gleich.
Wie immer versuchte ich auch diesmal als letzter über die Startlinie zu rollen, weil ich möglichst viel Platz und Sicht auf die Piste brauche und mich mangels ausgefeilter Fahrtechnikfinessen wo immer möglich aus dem Gedränge heraus halte und einfach Freude am unbeschwerten dahin Rollen haben will. Vor vier Wochen in Berlin hatte das wunderbar geklappt ... niemand hinter mir, der mich bedrängte und kaum noch jemand vor mir ... es hatte einfach Spass gemacht und die geplante Zeit von 2:25 konnte ich sogar geringfügig unterschreiten ohne mich dabei voll zu verausgaben! So hatte ich mir das auch am Sonntag vorgestellt. Den Streckenverlauf hatte ich mir gut angesehen und wusste, dass die für mich kritischen Stellen die Steigungen auf der Eschersheimer, die Rampe zur Schwanheimer Brücke und die Bolongarostrasse in Höchst sein würden und hatte mir die Zeit so eingeteilt, dass ich die ersten 4 km – bis zur Nibelungen-Allee – unter 16 Minuten laufen wollte und wusste, dass ich damit „über den Berg“ sein und im Zeitlimit liegen würde. Dies gelang mir sogar in weniger als 15 Minuten trotz einigem unerwarteten Stress, den ich bis dahin hatte.
Schon am Start wurde ich vom TNS-“Besenwagen“ vorgeschickt, der mich dann auch prompt nach seinen – wie sich nach 5 km herausstellte – unkontrollierten Zeitvorgaben vor sich her zu treiben versuchte. Das hat echt genervt, weil die wohl einfach nicht glauben konnten oder wollten, dass ich weiss, was ich tue und ihr eigenes Tempo nicht richtig eingeschätzt haben. Ich habe die Truppe dann einfach ignoriert und bin meinen Stiefel gelaufen ... nämlich hinter ihnen her.
To whom it may concern: liebe Mädels und Jungs vom TNS-“Besenwagen“: dass ihr mich da nicht missversteht! Ich nehme euch das nicht übel schliesslich kennt ihr mich nicht, ich schätze und bewundere im Gegenteil euer Engagement ohne das der TNS mit seiner Breitenwirkung für die Skater-Szene in ganz Europa – und der übrigen Welt natürlich auch! - nicht denkbar wäre, ich bin aber froh, dass ihr am Opernplatz angehalten und mich vorbei gelassen habt :-).
Von da an hat's dann nur noch Spass gemacht, die Sonne kam raus, kaum ein Lufthauch war zu spüren – bei meinem Tempo jedenfalls nicht - und es rollte fast von selbst. Damit komme ich zum zweiten Erlebnis, das meine Euphorie mitbegründet hat. Es ist für mich höchst ungewohnt, dass ich als letzter Starter unterwegs überholt werde; umso erstaunter war ich dann, als in Niederrad, bei km 17 etwa, ein Skater mit einem Buggy an mir vorbei rauschte, den ich zuvor schon im Besenwagen meinte gesehen zu haben. Dem schaute ich eine Weile wehmütig hinterher bis mir dann auffiel, dass der einen ziemlich breiten Rücken hatte und offensichtlich vor (Lauf-)Kraft strotzte. Plötzlich erinnerte ich mich an die Gegenwindstrecken am Schwanheimer Ufer, die mir womöglich noch bevor stehen würden (eine sehr interessante Assoziation, ich weiss :-)). Ich entschloss mich spontan, hinter ihm her zu fahren und dabei in Kauf zu nehmen, dass mein Puls kurzzeitig die 130 überschritt.
Es ist mir ein Anliegen – und der wesentliche Grund für diesen Beitrag - diesem netten Menschen hier meinen Dank aus zu sprechen, dass er nichts da gegen hatte, mich über weite Strecken zwischen km 17 und km 30 in seinem Windschatten laufen zu lassen und mir damit eine Erfahrung zu vermitteln, deren Wirkung mir erst hinterher klar geworden ist.
Bis zur Schwanheimer Brücke hatte sich eine kleine Gruppe gebildet und ich wollte nun auch meinen Beitrag zum zügigen Vorankommen leisten und setzte mich an der Brückenrampe an die Spitze der Gruppe und erwartete, dass die mir auch folgen. Erst auf der anderen Mainseite fiel mir auf, dass die Gruppe den Anschluss verloren hatte (wenn ich mich beim Laufen versuche um zu drehen, dann riskiere ich einen Sturz, den hebe ich mir dann lieber für unvermeidliche Situationen auf) ... und ich war gerade in einem so schönen zügigen Laufrythmus, dass ich einfach nicht langsamer werden wollte, und ich dachte auch, dass die mich sicher in der Bolongarostrasse wieder einholen würden, weil ich wusste wie ätzend das Stück ist und auch diesmal wieder war. Der Anstieg und der rauhe Asphalt sind einfach tödlich für meine Beine – ich hasse das Stück! Den anderen hinter mir muss es aber ähnlich ergangen sein denn oben angekommen war ich immer noch alleine, hatte allerdings einzelne Läufer weit voraus vor mir ... von da an lief es für mich wirklich wie von selbst und ich bin mit 2:11:28 mehr als 10 Minuten unter der für möglich gehaltenen Zeit ins Ziel gelaufen, und das verdanke ich diesem mir namentlich leider nicht bekannten Buggy-Skater! Und das Schöne daran war, dass ich auch nach dem Zieldurchlauf noch so frisch war, als hätte ich gerade einen moderaten 10 km Lauf gemacht ... das war der dritte Grund für mein schönstes Skate-Erlebnis dieser Saison.
I had a dream! Einmal im Leben einen Inline-Marathon unter 2 Stunden laufen! Diesen Traum hatte ich vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen schon begraben. Der Lauf am Sonntag hat mir gezeigt, dass das bei einer guten Vorbereitung immer noch möglich sein könnte, vorausgesetzt, ich finde eine Gruppe, die willens und in der Lage ist knapp unter zwei Stunden zu laufen und bereit ist, mich mit zu nehmen. Allerdings kann – und will – ich nicht in einem eng laufenden Zug mit machen, da kriege ich die Krise, wenn ich nicht die Piste vor mir sehen kann und schon ein leichter Fehltritt zu einem Sturz der ganzen Gruppe führen kann, wie das auch diesmal wieder an der Wende am Schwanheimer Ufer einer größeren Gruppe passiert ist – mit schmerzlichen Folgen für einige wie ich mir habe sagen lassen.
Das Fazit: Dieser Lauf hat mir gezeigt, wie wichtig nette Menschen sind, die bereit sind, sich in wichtigen Situationen vor einen zu stellen und wie wichtig es ist, in einen zügigen Laufrythmus zu kommen weil es dann einfacher ist, die verfügbaren körperlichen Resourcen ab zu rufen und effizient zu nutzen ... und dass es selbst einem Möchte-Gern-Skater möglich sein kann, einen Traum zu haben.
Sorry Leute, ich weiss das war eine lange Zumutung ... aber ich musste das einfach los werden :-).
Euer Wolfgang S.
----- ... Hauptsache ankommen!
Dieser Post wurde am 01.11.2005 von Wolfgang-S editiert. |