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18.05.2006, 10:11 Uhr
5rollrainer
TNS Team
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Witzig in der Rundschau ist eine Bericht über "There is no demonstration in Disneyland". Frankfurter Merkwürdigkeiten Zeichen vom Rand der Wohlfühlgesellschaft VON CLAUDIA MICHELS
Der Satz an der Alten Brücke hat eine gewisse Unruhe ausgelöst. Freund H. zum Beispiel, der ihn eines Sonnentags zu übersetzen versuchte, glaubte dann nachts im Halbschlaf, eine Äußerung von Bob Dylan erkannt zu haben, dessen verstörende Musik dieser Tage bei einem Frankfurter Kongress zum 65. Geburtstag einer ausführlichen Erörterung unterzogen wurde. Als H. dann morgens wach war, zweifelte er wieder. "There is no demonstration in Disneyland" steht am Geländer an der Alten Brücke, Blickrichtung zum Römer. Und das seit Wochen. H. übersetzte frei: Wir leben abgefüllt, satt und zugedröhnt wie in einem Vergnügungspark, und es ist uns gleichgültig. Einen Aufstand der Zwerge gibt es nicht dagegen. Man liest ja so vieles Interessiert das jemanden? Ach, man liest ja so vieles. All die Botschaften, sie rangeln um die Herrschaft über unsere Köpfe. Disneyland? Dylan? Demonstration? An der Alten Brücke? Da geht es doch zum neuen Kunsthaus Portikus, dem ochsenblutroten und spitzgiebeligen. "Wir waren es nicht", versichert im Namen des Portikus Nikola Dietrich, die Kuratorin von der Maininsel. Sie deutet Richtung Altstadt und auf den Kunstverein am Römerberg, der gerade unter neuer Leitung wiedererweckt wird. "Im Disneyland gibt es keine politischen Unruhen", würde Kuratorin Eva May im Kunstverein den Satz übersetzen. Ein Bild der Gesellschaft sei gemeint, "da wehrt sich keiner. Wir sind alle reglementiert." Vermeintliche soziale Sicherheit, politischer Überdruss, Konsum - für die Kuratorin steckt in dem Satz alles drin. Man ist so frei im Wohlfühlpark, man darf auch Parolen raushängen. Wenn es auch in Frankfurt, wo es für die Benutzung des öffentlichen Raums ein ausführliches Regelwerk gibt, mit dem Anschrauben gedauert hat: "Es war ein bisschen schwierig, einen Platz zu finden". Eva May enthüllt: Die Türkin Esra Ersen, Jahrgang 1970, ist Urheberin der Zeichen von der Brücke. Die Video- und Foto-Künstlerin stellt gerade im Kunstverein aus. Sie ist eine Seltenheit, sie ist "eine politische Künstlerin", meint May. Die Frau aus Ankara, derzeit in London wohnhaft, provoziert. Sie hält sich unten auf und daher kommt ihre dokumentarische Kunst. Indem sie den Menschen tagelang zuhört, meist denen "am Rand der Wohlfühlgesellschaft". Was Ersen auf ihren Stationen in der Welt per Video aufgezeichnet hat, wie sich zum Beispiel türkische Kinder in einem Betonwohnblock gegenseitig das Leben als Idylle beschreiben, kann man im Kunstverein auf Videos sehen. Entlang der rätselhaften Buchstaben über dem Fluss ist ein Lehrpfad der Kunst vom Portikus zum Kunstverein entstanden. Die Frankfurter Merkwürdigkeit besteht darin, dass die Frage, was das da oben soll, kaum ein Betrachter stellt. "Reaktionen hatten wir eigentlich nicht", meint Kunstvereins-Mitarbeiterin Eva May und wundert sich. Anfang Juni wird das Schriftband "nach Basel geschickt". In die Schweiz also, noch so ein Wohlfühlland.
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